Süßes Wasser

Geschrieben am 4. April 2013 von

Was tut ein kanadischer Farmer an einem frostigen Märztag, an dem sich noch kein Grün auf den Feldern zeigen will und im Wald die kahlen Bäume ihre Zweige in den eisig blauen Himmel strecken? Er steht noch im Morgengrauen auf, bewaffnet sich mit meterlangen, dünnen Plasitkschläuchen und spannt diese zwischen den Bäumen in seinem Wald auf. Nachdem er so ein ganzes Netz von Schläuchen geschaffen hat, geht er in seine Holzhütte im Tal, zündet ein Feuer an und wartet.

Schläuche an den Bäumen

Ein Netz von Schläuchen

Wenn dann der Morgen zu dämmern beginnt und die Märzsonne ihre schon recht kräftigen Strahlen auf die bewaldeten Hänge wirft, dann dauert es nicht mehr allzu lange, bis sich am Ende des Schlauchs, das der Farmer in seiner Hütte gut im Blick hat, ein glitzernder Tropfen bildet. Die glasklare Flüssigkeit tropft in einen großen Container, der sich langsam füllt. Wasserdampf steigt über einer länglichen Wanne auf und der Farmer rührt gelegentlich um. Vier Stunden dauert es, dann hält er das Produkt seiner Arbeit in Händen. Die glasklare Flüssigkeit hat auf ihrem Weg durch ein System von Kammern einiges an Wasser verdampft und ist zu einem goldgelben, zähen Saft geworden.

Modern Sirupkochen

Was hier als Ahornsaft hineinfließt, kommt als Sirup heraus

So ähnlich spielt sie sich wohl ab, die Ahornsirupernte, die jedes Jahr von Anfang März bis Anfang April, hunderte von Leckermäulern in die Wälder lockt. Auch wir besuchen an einem Samstag ein sogenanntes Ahorn-Sirup-Festival. Es findet am Rande von Toronto, tief im Wald eines Naturschutzgebietes statt. So tief, dass wir schon denken, dass wir irgendwie falsch gefahren sind, aber wir sind nicht die einzigen Autos, die dort unterwegs sind und so erreichen wir schließlich einen großen Parkplatz, der schon gut gefüllt ist. In der Eingangshalle des Informationsgebäudes duftet es schon verlockend nach Pfannkuchen, aber wir sind ja hier, um etwas zu lernen und so brechen wir erst einmal auf, um den etwa 1 km langen Erlebnispfad zu inspizieren.

Viele Auffangeimer

So wurde der Saft früher gesammelt

Auffangeimer

Auffangeimer mit “Zapfhahn”

Wir sind kaum ein paar Schritte gelaufen, da fallen uns schon merkwürdige Blechkanister an den Bäumen auf. Hierin haben die ersten Siedler, die in Kanada heimisch geworden sind, den Ahornsaft eingesammelt, der einfach aus den Bäumen herausfließt, wenn man sie anbohrt. Dieser Saft ist durchsichtig und besteht zum größten Teil aus Wasser. Er enthält nur zwei bis drei Prozent Zucker und hat noch einen langen Weg vor sich, bevor er als Ahornsirup mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Zuckergehalt von 66% verkauft werden kann.

Sirupkochen

Bald hat der Saft die richtige Konsistenz

Wir kommen an eine Stelle an der zwei Frauen an drei großen, dampfenden Kesseln stehen und den Saft, der in großen Fässern gesammelt wird, über dem Feuer langsam zu Sirup verkochen Sie erklären uns, dass die Siedler nicht nur Sirup herstellten, sonder ihn auch zu Zucker weiter verarbeiteten, da dieser sich sehr viel länger lagern lässt. Am Ende dürfen wir sogar den Saft probieren, der wie gesüßtes Wasser schmeckt und dann auch den Ahornsirup. Hhmmm!

Und unser Farmer? Der gewinnt seinen Sirup nach der modernen Methode, die weitaus energieeffizienter und weniger aufwändig ist. Das Endprodukt ist jedoch das gleiche und so kann er sich am Abend auf einen ganzen Berg an Pfannkuchen mit frisch geernteten Ahornsirup freuen.