Wintercamping

Geschrieben am 2. März 2013 von
Wintercamping

Kuschelig warm?

„Last opportunity for heated washrooms“ (Letzte Gelegenheit für beheizte Toiletten), informiert uns unser Tourguide Craig, als er am Besucherzentrum des Algonquin-Parks (Algonquin Naturschutzgebiet) aussteigt, um die Gebühren für unsere Übernachtung zu bezahlen. Und in der Tat soll es das letzte Mal sein, dass wir uns in diesen zwei Tagen überhaupt in warmen, geheizten Räumen aufhalten.

Im Zelt Winter

Im Innern des Zeltes

Denn unser Camp für die Nacht, das wir erst am Nachmittag erreichen, besteht aus zwei Großraumzelten. Die dortigen Örtlichkeiten sind zwei im Wald versteckte Plumpsklos. Ich bin etwas überrascht, dass die Zelte sich kaum von denen unterscheiden, die ich noch aus Pfadfindertagen kenne. Hatte ich mir doch unter den angekündigten “heated wall tents”, also beheizten Zelten mit Wänden, etwas Robusteres vorgestellt. Immerhin ist der Boden der Zelte mit Stroh ausgelegt, um uns vor der Kälte des gefrorenen Bodens zu schützen. Außerdem steht in einer Ecke des Zeltes ein großer Kohleofen, mit dem wir gegen die sinkenden Temperaturen ankämpfen können.

Wasserloch

Kanadische Trinkwasserquelle

Die erste Aktion der Gruppe besteht darin, Wasser zu organisieren. Wir laufen mit Eimern und Töpfen bewaffnet durch den Wald zu einem See. Während wir noch die Aussicht bestaunen und uns vorsichtig auf die Eisdecke wagen, macht sich unser zweiter Tourguide Erin daran, ein Loch in die Eisdecke zu schlagen. Mit einem Stock, an dem eine Metallspitze befestigt ist, hackt sie resolut auf das Eis ein. Da dieser Zeltplatz häufiger besucht wird, gibt es schon eine markierte Stelle, an der das Eis dünner ist, weil dort alle Gruppen ihr Wasser schöpfen. Es dauert nicht lange und es dümpeln nur noch kleine Eisbrocken im grünlich schimmernden Wasser in dem Loch herum. Als ich meinen Eimer fülle schaue ich misstrauisch auf das Wasser, das mir nicht gerade den saubersten Eindruck macht. Das sollen wir wirklich trinken?

Als nächstes wird Feuer gemacht. Unter einer Plane gegenüber der Zelte befindet sich ein ganzer Stapel großer Holzscheite. Während Erin den Gaskocher anwirft, um das Wasser abzukochen, machen die Jungs sich ans Holzhacken. Bald sind genügend kleine Splitter vorhanden, um damit ein Feuer zu entzünden. Allerdings ist es gar nicht so einfach, die gefrorenen Holzstückchen lange genug aufzuwärmen, um sie bei -20°C zum Brennen zu bringen. Zwar haben wir ein Feuerzeug zur Verfügung, aber die kleine Flamme greift einfach nicht auf die aufgehäuften Nadeln und Späne über. Zum Glück glimmt im Ofen des Zeltes noch die Holzkohle von der letzten Gruppe, mit deren Wärme es uns schließlich gelingt, ein Feuer zu entzünden.

Hundefütterung

Hundefütterung

Bevor wir uns aber gemütlich zurück lehnen können, müssen die Hunde noch versorgt werden. Sie sind an einer langen Kette angebunden, die unser Camp begrenzt. Dort liegen sie erschöpft auf einem dichten Teppich aus Stroh, der sie vor der Kälte von unten schützt. Das Futter wird von Erin aufgewärmt und dann in Schüsseln gefüllt. Die Hunde werden auf einmal wieder hellwach, als sie merken, dass es Fressen gibt. Sie Jaulen und machen Radau. Je nach Größe bekommt jeder Hund eine bestimmte Menge an Futter, sodass es nicht egal ist, wer welche Schüssel bekommt. Da das Fressen aber in zehn Sekunden verschlungen ist, bleibt auch nicht viel Zeit, Fehler zu korrigieren. Als wir zurück zum Feuer gehen, stimmt einer der Hunde ein langgezogenes Heulen an. Die anderen stimmen mit ein und Erin lächelt zufrieden: „Das tun sie nur, wenn sie glücklich sind.“ Und sie fügt hinzu: „Damit bedanken sie sich bei uns für einen tollen Tag.“

Heulende Hunde

Glückliche Hunde

Inzwischen ist es dunkel geworden. Wir sitzen um das flackernde Lagerfeuer vor dem Zelt herum und wärmen unsere kalten Füße. Als das Teewasser fertig abgekocht ist, denkt niemand mehr über dessen Sauberkeit nach. Die schädlichen Bakterien, die hier jedes Gewässer verunreinigen, sind tot und alles andere ist bei dieser arktischen Kälte nebensächlich. Genüsslich schlürfen wir den heißen Tee, lauschen dem Knistern der Flammen und wundern uns, dass der Schnee um das Feuer herum nicht schmelzen will.

Lagerfeuer Winter

Romantisch – aber nicht wirklich warm

Nach dem Abendessen, das wir in einem der Zelte einnehmen, in dem es tatsächlich deutlich wärmer ist, als am Lagerfeuer, gehen Albrecht und ich noch einmal zum See hinunter. Frierend stehen wir auf der schimmernden Eisfläche und lauschen in die Nacht hinaus. So still ist es hier, kein Verkehrsrauschen, keine brummenden Flugzeuge, nicht mal das leise Summen einer fernen Autobahn, kann man vernehmen. Die Vorstellung, so weit weg von der Zivilisation zu sein, ist beeindruckend und einschüchternd zugleich.

Später erfahren wir, dass es in dieser Nacht -23°C wurden. Die von Craig ausgeteilten Schlafsäcke sind leider nur bis -20°C ausgelegt und so macht uns der kalte Luftzug am Boden des Zeltes doch ganz schön zu schaffen. Erin steht zwar alle drei Stunden auf, um Feuerholz nach zulegen, aber die Wärme vom Ofen steigt nach oben und entweicht durch die dünnen Zeltwände. Unter diesen Umständen schlafen wir nicht allzu lang in den Tag hinein und freuen uns, als wir nach einem reichhaltigen Frühstück die Hunde einspannen können und uns wieder in Bewegung setzen. Schon nach kurzer Zeit ist die Kälte vergessen und irgendwann kehrt auch das Gefühl in meine tauben Zehen zurück.

Als wir nach diesem Abenteuer in unser (fast) warmes Zimmer in Toronto zurück kehren, sehen wir es mit ganz anderen Augen und wissen das beheizte Bad und die heiße Dusche, die uns hier zur Verfügung stehen, sehr viel mehr zu schätzen.