Inside Passage

Geschrieben am 19. Oktober 2013 von

Dunstiger Nebel liegt über dem Wasser. Nur schemenhaft lassen sich darin die nahen Inseln erahnen, deren Gipfel wie aus dem Nichts in den Himmel ragen. Es wirkt wie eine Szenerie für einen Piratenfilm. Tatsächlich würde ein Schatz, der hier versteckt wird, wahrscheinlich nie gefunden werden, denn die Inseln sind unbewohnt und ringsherum gibt es meilenweit nur steile Abhänge und undurchdringliche Tannenwälder.

Die Fähre ist die schnellste Verbindung zwischen Vancouver und Prince Rupert

Die Fähre ist die schnellste Verbindung zwischen Vancouver und Prince Rupert

Wir befinden uns auf einer Fähre auf der sogenannten „Inside-Passage“, dem schnellsten Weg um von Vancouver, im Süden Kanadas, bis nach Prince Rupert, einer Hafenstadt knapp unterhalb der Grenze von Alaska zu gelangen. Da die Landschaft entlang der Küste bergig und nahezu unbewohnt ist, hat noch nie jemand versucht, dort eine Straße zu bauen. Stattdessen gibt es eine Fährverbindung, die ihre Passagiere nicht nur bequem ans Ziel bringt, sondern ihnen auch die Gelegenheit bietet, die wilde Schönheit der rauen Küste zu bestaunen. Wir stehen gerade am Beginn einer dreiwöchigen Tour durch British Columbia, also durch die westlichste Provinz Kanadas. Von Prince Rupert aus wollen wir gemeinsam mit Albrechts Eltern und einem Wohnmobil über eine Straße weiter im Landesinnern zurück nach Vancouver fahren. Zuerst geht es aber mit Sack und Pack auf der Fähre nach Norden.

Endlose Tannenwälder und zerklüftete Berge säumen das Ufer

Endlose Tannenwälder und zerklüftete Berge säumen das Ufer

Gemeinsam mit vielen anderen Touristen stehen wir an der Reling und sehen endlose Tannenwälder und zerklüftete Berge an uns vorbeigleiten. Die Inside Passage besteht aus einer tiefen, mit dem Wasser des Pazifiks gefüllten Rinne, die im Tal zwischen zwei Gebirgszügen verläuft. Auf der einen Seite liegt die große Landmasse Kanadas, deren Küste ein bisschen an die Fjorde von Norwegen erinnert, auf der anderen Seite liegen viele kleine Inseln, die im Prinzip genauso aussehen, aber halt von Wasser umgeben sind.

Walsichtung

Walsichtung

Zu Beginn unserer Reise scheint noch die Sonne und im glitzernden Wasser halten wir nach Walen Ausschau, die durch den gleichen Kanal ihre jährliche Migrationsroute haben. Von der Brücke aus müssen auch ein paar zu sehen gewesen sein, denn jedes Mal wird eine Durchsage gemacht: „Ein Grauwal an Backbord.“ „Zwei Orcas an Steuerbord“ „Mehrere Buckelwale an Backbord.“ Natürlich schnappen wir uns genau wie alle anderen Passagiere jedes Mal brav das Fernglas und gehen zu der entsprechenden Seite, aber die Wale sind so weit weg, dass wir nur mit Mühe eine wedelnde Schwanzflosse oder ein paar Punkte auf dem Wasser erkennen, die Finnen sein könnten.

Dichter Nebel steigt über dem Wasser auf

Dichter Nebel steigt über dem Wasser auf

Während wir noch angestrengt durch unsere Ferngläser schauen, treten allmählich die Ufer links und rechts immer näher zusammen. Bald sieht es so aus, als ob man sie mit einem Steinwurf erreichen könnte. Der Kapitän erzählt über Lautsprecher, dass dies die engste Stelle der Passage sei und er hier auch schon Mal Elche oder Hirsche durch den engen Kanal hat schwimmen sehen. Heute zeigt sich leider kein Tier im Wasser, aber dafür sehen wir einen Weißkopfseeadler, der bewegungslos auf dem Ast einer Tanne sitzt.

Über diesen ganzen Beobachtungen und Erzählungen wird es langsam dunkel. Die Sonne verschwindet hinter den Berggipfeln und dichter Nebel steigt über dem Wasser auf. Bald fahren wir im Halbdunkel durch die oben beschriebene, gespenstische Szenerie. Man kann sich gut vorstellen, dass hier schon so mancher in einer dunklen Nacht seinen Kurs verloren hat und auf die spitzen Felsen aufgelaufen ist. Aber unser Kapitän kennt seine Route und so legen wir nach einer langen Fahrt durch die Dunkelheit sicher im Hafen von Prince Rupert an.