Sport ist Mord

Geschrieben am 16. Dezember 2012 von

U-Bahn Toronto

U-Bahn von Toronto

An unserem ersten Sonntag in Toronto, vier Tage nach unserer Ankunft, wollen wir das sonnige Wetter nutzen, um die Sehenswürdigkeiten in Downtown (Innenstadt) kennenzulernen. Wir holen uns also ein Tagesticket für die U-Bahn, das am Wochenende für zwei Personen gilt, und ziehen ausgestattet mit einem Stadtplan los.

Leider sind meine (Sabine) Muskeln im rechten Oberschenkel aber genau an diesem Tag der Meinung, dass sie jetzt genug geleistet haben und erst einmal Ruhe benötigen. Sie machen sich mit einem starken Ziehen nachdrücklich bemerkbar, noch bevor wir in die U-Bahn einsteigen. Jeder Versuch das Bein zu Belasten verschlimmert die ganze Sache nur noch. Zwei Tage zuvor hat mein Bein schon einmal gestreikt, ließ sich aber mit etwas Dehnen wieder zur Zusammenarbeit überreden. Diesmal ist das anders. Obwohl ich in der U-Bahn zur Verwunderung der anderen Fahrgäste eifrig Dehnübungen mache, lockern sich meine Muskeln nicht. Im Gegenteil, sie stellen auf stur und als ich schließlich in der immer voller werdenden Bahn nur noch sitzen kann, finde ich kaum noch eine Stellung, in der ich keine Schmerzen habe. Auch nach dem Aussteigen wird es nicht besser und ich nutze jede sich bietende Sitzgelegenheit, um auszuruhen. Auf Albrecht gestützt komme ich mir selbst ein bisschen albern vor, wie ich so die Treppen hinauf humpele und kaum vorwärts komme.

Da meine Muskeln sich weiterhin mit aller Kraft bemerkbar machen und mir außerdem schwindelig wird, setzt Albrecht mich auf einer Bank ab und geht eine Flasche Wasser kaufen. Ich versuche mein Bein, dass sich nicht strecken lassen will, aber Schmerzen verursacht, wenn es gebeugt ist, irgendwie ruhig zu stellen. Eine Frau tritt an mich heran und fragt nach einem Kugelschreiber („pen“). Da das Wort ähnlich klingt wie das Wort für Schmerzen („pain“), verstehe ich sie falsch und freue mich schon über die hilfsbereiten Torontoer. Als ich sie jedoch nach einem Doktor oder Krankenhaus in der Nähe frage, schaut sie mich nur verwirrt an. Es dauert eine ganze Weile, bis ich bemerke, was sie möchte.

Da meine Muskeln kein Stück nachgeben wollen und mir schon einen Bordstein zur Hürde werden lassen, nehmen Albrecht und ich schließlich doch ein Taxi in das nächste Krankenhaus. Es ist ein riesiges Gebäude, um das wir eine Weile herum humpeln, bis wir endlich den Eingang zur Notaufnahme gefunden haben, der eher wie ein Lieferanteneingang wirkt. Drinnen bekommt mein Bein dann genau das, was es sich wünscht, nämlich Ruhe. Wir warten zwei Stunden in einem Warteraum. Zwischendurch werde ich von zwei Krankenschwestern über den Grund meines Kommens befragt. Da meine Muskeln sich allmählich ausgetobt haben und nun friedlich entspannen, kann ich den Krankenschwestern nur noch erzählen, dass ich komme, weil mein Bein vor zwei Stunden schrecklich weh getan hat. Trotzdem sieht es sich die Ärztin an und stellt fest, dass sich der Muskel dauerhaft verkrampft hat. Als wir ihr erzählen, dass wir eine Woche zuvor 500 km mit dem Fahrrad gefahren sind, meint sie nur, wir sollten weniger Sport machen. Eine  Muskelverkrampfung sei zwar nicht gefährlich, aber verursache extreme Schmerzen und könne auch nach mehreren Wochen noch auftreten. Sie empfiehlt sie mir außerdem Voltaren und Ibuprofan gegen die Schmerzen. Die ganze Prozedur und der Hinweis auf zwei rezeptfreie Medikamente kostet mehr als 500 Euro. Jetzt wissen wir auch, warum Auslands-Krankenversicherungen für die USA und Kanada immer einen Aufpreis veranschlagen.

Strand Ontariosee

Strand von Toronto am Ontariosee

Wir kaufen die Medikamente in der nächsten Apotheke und fahren anschließend mit der Straßenbahn an den Ontariosee, um wenigstens eine Sehenswürdigkeit zu sehen. Da die Schmerzen in meinen Muskeln immer noch nachklingen und ich meinem Bein noch nicht so recht traue, laufen wir nur bis zur nächsten Parkbank. Dort genießen wir den Blick auf den riesigen See, während die Sonne langsam untergeht.